Horst Karl von Einsiedel (1905-1947)

„Die Entdeckung, wieviel Haß zwischen den Menschen besteht, war ein trauriges fortwährendes Erlebnis der letzten zwanzig Jahre. Haß zwischen den Völkern und Rassen, Haß zwischen den politischen Parteien und Haß zwischen den wirtschaftlichen Klassen haben das Bild des Menschen immer erneut entstellt. Die Bewertung des Mitmenschen erfolgte nicht auf Grund seiner Handlungen und seines Charakters, sondern auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer wirtschaftlichen, politischen oder völkischen Gruppe. Dadurch trat eine Verzerrung der überlieferten christlichen Wertmaßstäbe ein. Die Liebe zum Nächsten, die wichtigste christliche Forderung, wurde immer weniger zur Norm menschlichen Verhaltens.“

Mit diesen Worten stellte Einsiedel nach dem Krieg seine persönlichen Anschauungen dar.

Einsiedel wurde am 7. Juni 1905 als zweiter Sohn eines Dresdener Arztehepaares geboren. 1924 begann er in Breslau das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften. Er kam in Kontakt mit Eugen Rosenstock-Huessy und der Studentengruppe, die sich um den Soziologen gesammelt hatte. Hier lernte er unter anderem Carl-Dietrich von Trotha und Helmuth James von Moltke kennen.

1926/27 nahm er an den ersten freiwilligen Arbeitslagern teil, die in Deutschland stattfanden. Er wirkte führend in der Löwenberger Arbeitsgemeinschaft mit, deren sozialpolitisches Ziel die Annäherung und der Ausgleich der verschiedenen Gesellschaftsschichten war. Gemeinsam mit Trotha beteiligte er sich bei der Planung und Durchführung der von Rosenstock initiierten schlesischen Arbeitslager. Einsiedel wurde in besonderer Weise von den geistigen Auffassungen Rosenstocks geprägt.

Nach dem juristischen Referendarexamen studierte Einsiedel Volkswirtschaft. Unter dem Einfluß von Adolf Löwe, der den religiösen Sozialisten nahestand, wurde er zu einem Befürworter der staatlichen Wirtschaftslenkung.

1930 bis 1932 studierte Einsiedel als Austauschstudent an der Harvard-Universität in Cambridge/USA. Nach seiner Rückkehr wurde er Leiter der Vereinigung deutscher Austauschstudenten, wurde aber bereits ein Jahr später von den Nazis dieses Postens enthoben.

Seit 1930 war Einsiedel Mitglied in der SPD. Gemeinsam mit Trotha engagierte er sich im Kampf gegen den Nationalsozialismus und nahm Kontakt zu Arvid von Harnack und Harro Schulze-Boysen auf. In diese Zeit fiel für ihn die Sorge um seine Mutter, die als Halbjüdin gefährdet war und um den nach England emigrierenden Bruder. Nach einer kurzen Tätigkeit im Statistischen Reichsamt, wo er aus politischen Gründen ausscheiden mußte, kam er mit Hilfe von Trotha und Otto Heinrich von der Gablentz in die Reichsstelle Chemie.

Seit 1939 gehörte Einsiedel zum Oppositionskreis um Moltke, den er bereits aus der Zeit der Löwenberger Arbeitsgemeinschaft kannte. Im Kreisauer Kreis führte Einsiedel gemeinsam mit Trotha die Arbeitsgruppe „Wirtschaftsfragen“. Er entwickelte im Austausch mit den illegalen Gewerkschaften und den Kirchen das wirtschaftspolitische Programm für die Zeit nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes. Hinter Einsiedels Auffassungen stand eine christliche Lebensanschauung. Er beteiligte sich an der Vorbereitung der ersten und zweiten zweiten Kreisauer Tagung und nahm auch daran teil.

Nach dem 20. Juli blieb er unentdeckt und wurde nicht, wie viele seiner Freunde, verhaftet. Nach Kriegsende blieb er mit Trotha in Berlin und trat in die Wirtschaftsverwaltung in der Sowjetischen Besatzungszone ein. Im Oktober 1945 wurde er vom NKWD verhaftet und kam unter ungeklärten Umständen im sowjetischen Speziallagerlager Sachsenhausen, dem ehemaligen Konzentrationslager, ums Leben.

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