Harald Poelchau (1903-1972)

"Während all dieser entsetzlichen Monate waren die Besuche von Pfarrer Poelchau der einzige Lichtblick. Er hat sich in mutigster Weise aller politischen Gefangenen angenommen und Übermenschliches geleistet, Trost, Rat und Hilfe gebracht, wo er konnte."

Mit diesen Worten wird der Einsatz des Gefängnispfarrers Harald Poelchau beschrieben, den er für die verhafteten Widerstandskämpfer leistete - oft unter Gefährdung des eigenen Lebens.

Als Sohn des Pfarrers Harald Georg Poelchau und seiner Frau Elisabeth, geborene Riem, wurde Harald Poelchau am 5. Oktober 1903 in Potsdam geboren. Er wuchs in Schlesien auf und schloß sich der evangelischen Jugendbewegung an.

Nach dem Abitur studierte er in Bethel, Tübingen, Marburg, Berlin und Breslau evangelische Theologie. Seine Studienjahre wurden geprägt durch den religiösen Sozialisten Paul Tillich, durch dessen Anregung Poelchau sich stärker mit sozialpolitischen Fragen auseinandersetzte.

Nach seinem theologischen Examen absolvierte er zusätzlich eine Ausbildung als staatlich geprüfter Fürsorger und engagierte sich gleichzeitig in dem Kreis um die „Neuen Blätter für den Sozialismus“, in dem bereits Reichwein, Haubach und Mierendorff aktiv waren.

1930/31 wurde Poelchau Assistent bei Paul Tillich und promovierte mit einer Arbeit über das Fürsorgerecht zum Dr. phil. Nach dem zweiten theologischen Examen und der Ordination zum Pfarrer wurde er im Jahre 1933 Gefängnispfarrer in Berlin-Tegel, später auch in Plötzensee und in der Lehrter Straße. An die eintausend Hinrichtungen, die die Nazi-Henker vollstrecken ließen, mußte er als geistlicher Beistand der zum Tode Verurteilten miterleben.

Seit 1941 arbeitete Poelchau im engeren Kreisauer Kreis mit und nahm an der ersten Tagung in Kreisau teil.

Die oppositionelle Tätigkeit Poelchaus erstreckte sich auch auf die Hilfe für Regimegegner und jüdische Mitmenschen, die verborgen oder weitervermittelt werden mußten. Gemeinsam mit seiner Frau Dorothee, die er 1928 geheiratet hatte, konnte er vielen Verfolgten helfen. Die Wohnung der Poelchaus wurde zur Anlaufstelle für viele, die untertauchen mußten, mit Lebensmitteln versorgt werden mußten und neue Papiere brauchten. Dieser Aufgabe widmete sich Poelchau auch in der Widerstandsgruppe „Onkel Emil“, die sich um Ruth Andreas-Friedrich gebildet hatte.

Seine Widerstandstätigkeit blieb auch nach dem 20. Juli 1944 von der Gestapo unentdeckt, und er konnte als Gefängnispfarrer auch seine Kreisauer Freunde betreuen, Nachrichten übermitteln und die Verbindung zu den Angehörigen aufrechterhalten. Dadurch konnten die Gefangenen ihre Verteidigung aufeinander abstimmen und in geistigem Austausch miteinander bleiben. „Er trug kleine Zettel von Zelle zu Zelle. Auch schmuggelte er bei allen Besuchen etwas Eßbares ein. Für alle hatte er ein gutes Wort, eine Ermutigung.“

Gemeinsam mit Eugen Gerstenmaier baute er 1945 das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Stuttgart auf und wurde dessen Generalsekretär. Ab 1946 engagierte sich Poelchau im Gefängniswesen der Zentralen Justizverwaltung der Sowjetischen Besatzungszone in Berlin, ging aber in den Westen, als er seine Vorstellungen nicht durchsetzen konnte. Von 1949 bis 1951 war er erneut Gefängnispfarrer in Berlin-Tegel. 1951 wurde er zum Sozial- und Industriepfarrer der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg ernannt. 1972 wurde ihm vom Staat Israel die Yad-Vashem-Medaille der Gerechten der Völker verliehen.

Am 29. April 1972 starb Harald Poelchau in Berlin.

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