Ludwig Mehlhorn (1950-2011)

In der DDR-Opposition aktiv war er ein mutiger Wegbereiter der deutsch-polnischen Verstän­digung in schwierigen Zeiten. Mit Herz und kritischem Geist prägte er das Neue Kreisau. So schön und klar wie seine Sprache war seine Haltung und seine Gabe der Freundschaft.

Am 17. Juni 2011 wurde Ludwig Mehlhorn in Anerkennung seiner Verdienste um die deutsch-polnische Zusammenarbeit posthum das Kommandeurkreuz des Verdienstordens der Republik Polen durch den Staatspräsidenten der Repubik Polen Bronisław Komorowski zuerkannt.

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Ludwig Mehlhorn, unser guter, lieber, kluger Freund und Vorstandskollege der Kreisau-Initiative ist tot. Wir können es nicht fassen und können auch nur um Worte ringen, mit denen wir seiner gedenken, der so stark ein Teil von uns ist. Noch vor drei Wochen haben wir ihn erneut in den Vorstand der Initiative gewählt, er wollte so gern „nach Kräften“ mit uns weiter arbeiten, so wie wir ihn dabei nach Kräften unterstützen wollten.

Die Stiftung Kreisau in Polen auch durch die Mitarbeit in der Kreisau-Initiative mitzugestalten, war seit 1989 ein ganz wichtiger Lebensmittelpunkt für Ludwig. In unser Leben aus der westdeutschen Perspektive trat er als ein ganz großes Geschenk der deutschen Einheit, vermittelt durch unser gemeinsames Engagement für den Wiederaufbau des Neuen Kreisau in Polen, wo sich 1989 Menschen aus Ost- und Westeuropa auf dem Fundus des deutschen Widerstands gegen den Nationalsozialismus treffen konnten. Erinnerung, Versöhnung, die Verantwortung für die zukünftige Gestaltung Europas wurden hier aus Worten zu tätigem Handeln.

Ludwig vermittelte uns nachdrücklich die Bedeutung der vielen kleinen und doch so großen Schritte, die die DDR-Bürgerrechtsbewegung (und er ganz persönlich, was er in der Darstellung eher wegließ) auf die politische Opposition in Polen zugegangen ist und deren große Bedeutung für die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechtsbewegung für ganz Osteuropa. Dazu gehörten das Erinnern und das Bewusstsein für die Verbrechen der Deutschen an den Polen in der Zeit der NS-Diktatur.

Seit 1990 war er in verschiedenen Gremien der polnischen Stiftung Kreisau, seit 1993 arbeitete er im Vorstand der Kreisau-Initiative Berlin mit. Ludwig stellte uns bei allem flüchtigen, schnellen Handeln und „in Worte fassen“ sanft, ruhig und manchmal unerbittlich auf harte Proben: Bei ihm musste alles durchdacht, verantwortet und das dann auch richtig, klar und schön ausgedrückt sein – nicht mehr und nicht weniger. Von Ludwig haben wir Tiefe und Genauigkeit gelernt, Genauigkeit in der umfassenden Recherche, Tiefe in der umfassenden Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven – aus polnischer, deutscher, europäischer Sicht.

Ludwig hat jahrelang an der Kreisauer Ausstellung „In der Wahrheit leben“ gearbeitet. Es war sein Grundgedanke, die Universalität der Menschenrechte und des menschlichen Gewissens und der Fähigkeit zur Wahrhaftigkeit an unterschiedlichen Biografien des Widerstands sowohl gegen den Nationalsozialismus als auch gegen die Unrechtsregime in Osteuropa darzustellen.

Alle Jahre wieder hatte er das letzte redaktionelle Wort über unseren Mitgliederrundbrief – und sein Beitrag bestand alljährlich in der politischen Einschätzung „der Weltlage“, wie wir es in unseren Redaktionsgesprächen getauft hatten. Es war sicherlich der Teil, der für alle Leser der wichtigste war und der über die letzten 20 Jahre so etwas wie ein europäisches Archiv bildet.

Ludwig wird uns so sehr fehlen – sein Wissen, seine Klugheit, seine Fähigkeit zu Humor und Satire, seine Unbeirrbarkeit, sein riesengroßes Netzwerk – und seine Freundschaft.

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