Freya von Moltke (1911-2010)

Am 01. Januar 2010 ist Freya von Moltke in ihrer Wahlheimat Norwich, Vermont (USA) gestorben. Mit ihr ist das letzte Mitglied der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis von uns gegangen, die zwischen 1940 und 1944 in zahlreichen Treffen Pläne für ein demokratisches Deutschland, eingebunden in ein geeintes Europa, nach dem Fall des nationalsozialistischen Regimes entwickelte.

Freya von Moltke wurde am 29. März 1911 in Köln geboren. Mit 20 Jahren heiratete sie Helmuth James Graf von Moltke und zog auf das Familiengut Kreisau in Niederschlesien. 1935 promovierte sie an der juristischen Fakultät in Berlin. Zusammen mit ihrem Mann traf sie die bewusste Entscheidung, aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten. Sie unterstützte mit Lebensmitteln vom Gut aus die Versorgung von in Berlin versteckten Juden. Zwischen 1942 und 1943 war Freya von Moltke Teilnehmerin der Sitzungen des Kreisauer Kreises auf ihrem Gut. Sie war Gesprächspartnerin ihres Mannes und begleitete ihn durch die Zeit der Widerstandsplanungen und der Haftzeit: Seine täglichen „Briefe an Freya“, 1988 veröffentlicht, gehören zu den wichtigsten Zeugnissen des Widerstandes in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts.

Nach dem Kriegsende, dem Verlust ihres Mannes und ihrer zweiten Heimat Kreisau ging Freya von Moltke mit ihren zwei Kindern, Konrad und Helmuth Caspar, nach Südafrika, der Heimat der Großeltern ihres Mannes, wo sie als Sozialarbeiterin tätig war. 1956 kehrte sie nach Deutschland zurück, um 1960 nach Vermont (USA) überzusiedeln. Dort lebte sie bis zu seinem Tode mit dem Rechtshistoriker und Soziologen Eugen Rosenstock-Huessy. Durch eigene Berichte, die Herausgabe von Dokumenten sowie die Betreuung und Beratung bei zahlreichen Veröffentlichungen zum Kreisauer Kreis ist ihr ein nicht unerheblicher Teil der Überlieferungen zum deutschen zivilen Widerstand im Nationalsozialismus zu verdanken.

Sie setzte sich mit viel Feingefühl gegenüber den polnischen Belangen für einen Wiederaufbau Kreisaus als Ort der Verständigung und Begegnung insbesondere auch für die junge Generation ein, die im Jahr der Wunder 1989 möglich wurde. Bis zu ihrem Tod hat sie als Freundin, Ratgeberin, als regelmäßiger Gast und in verschiedenen Gremien die Entwicklung der Begegnungs- und Gedenkstätte im heute polnischen Kreisau (Krzyżowa) begleitet und wichtige Impulse gesetzt. 2004 haben ihre deutschen Freunde eine Stiftung gegründet und nach ihr benannt, um sie und ihren Einsatz zu würdigen. In ihrem Sinne will die Stiftung durch Beiträge aus der deutschen Zivilgesellschaft ein Kapital aufbauen, um die Arbeit dieses Neuen Kreisaus langfristig abzusichern.

Menschen, die wissen, worum es geht“: Dieser Titel eines Buches von Marion Dönhoff könnte für Freya von Moltke erfunden worden sein. Freya von Moltkes ganzes Leben war geprägt von einer gradlinigen, furchtlosen Intuition, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort das Richtige zu tun. „Mut zum Leben, Verständigung, Versöhnung und das Einreißen von festgefahrenen Denkmustern sind Schlüsselbegriffe in ihrem Leben“, sagte Władysław Bartoszewski aus Anlass der Verleihung des Brücke-Preises der Stadt Görlitz an Freya von Moltke 1999. Mit dieser Haltung wirkte sie prägend auf ihr Umfeld, auf Menschen der jungen Generation in den USA, in Deutschland und Polen, genau so wie auf Menschen der Kriegs- und Vertriebenengeneration. Wir haben eine der ganz großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts verloren.

Berlin, 04. Januar 2010

Für alle deutschen, polnischen und amerikanischen Freunde, Freundinnen und Mitstreiter Freya von Moltkes:

Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau
Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
Kreisau-Initiative e.V.

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